


Es ist offensichtlich, dass man ohne opioide Schmerzmittel noch nicht auskommen kann. Seit Jahrtausenden bleiben Opioide als Grundbestand der Pharmakotherapie bei schweren Schmerzsyndromen. In diesem Beitrag vergleichen wir 2 wirksame Opioide – Tapentadol vs Tramadol.
Opioide binden an spezifische Rezeptoren, die G-Proteine auf der Oberfläche von Zellmembranen sind, mit denen Opioide als Liganden wirken. Die schmerzlindernde Funktion von Opioiden wird hauptsächlich auf der Ebene der Kortex- und Hirnstammstrukturen verwirklicht, obwohl Opioidrezeptoren tatsächlich in allen Körpergeweben zu finden sind.
Die höchste Konzentration dieser Rezeptoren befindet sich im rostralen Teil des vorderen Gyrus cinguli und im mittleren Teil der vorderen Insula. Der zweitgrößte Konzentrationsbereich von Opioidrezeptoren ist der Darm. Strukturell fallen Somatostatinrezeptoren und Opioidrezeptoren zu 40% zusammen, daher beeinflussen Opioide das Wachstum von Geweben (im Experiment), einschließlich bösartiger Bildungen.
Die Wirksamkeit des eines oder des anderen Opioids hängt hauptsächlich davon ab, wie stark die Substanz an Opioidrezeptoren bindet. Am meisten ist das mit dem Analgesieniveau vereinbar. Auf Grund der Mehrheit von Laborbefunden wurde der Verwandtschaftsgrad (Affinität) von Rezeptoren und verschiedenen Opioiden festgestellt.
Diese Daten sind jedoch ziemlich widersprüchlich, da in den Untersuchungen verschiedene Labortiermodelle eingesetzt und verschiedene Befunden untersucht wurden. Deshalb ist die Wirksamkeit von Opioiden in manchem Bereich angegeben und diese Daten sind ungefähr. Zum Beispiel Morphin bindet die μ-Rezeptoren zu etwa 68 %, Fentanyl – zu 81% und Carfentanyl – zu 98%.
Welche Opioide gibt es?
Opioide können bedingt in drei Gruppen eingeteilt werden:
- schwache Opioide,
- mittelstarke Opioide und
- starke Opioide.
Diese Einteilung ist subjektiv und es gibt derzeit keine vollständige Meinungszustimmung darüber, wozu dieses oder jenes Opioid gehört. Der Goldstandard der Wirksamkeit von Opioiden ist die analgetische Wirkung von 10 mg parenteral angegebenem Morphin. Dieses Arzneimittel ist bestens untersucht und wird seit langer Zeit verwendet. Dementsprechend wird seine analgetische Wirkung als Einheit genommen. Beziehungsweise ist das Arzneimittel mit einem Parameter von 1,5: 1 eineinhalb Mal stärker als Morphin; 5: 1 fünfmal stärker, 0,2: 1 fünfmal schwächer, 0,1: 1 zehnmal schwächer usw. Hier finden Sie den Top 10 der stärksten Schmerzmittel.
Tramadol oder Tapentadol bei der Behandlung von Schmerzsyndromen
Tramadol
Einer der schwächsten μ-Agonisten Tramadolhydrochlorid wurde 1962 in Deutschland synthetisch entwickelt und 1977 auf den Markt gebracht.
Tramadol ist ebenso wie Methadon ein racemisches Gemisch aus zwei Enantiomeren, die auf verschiedene Weise an der analgetischen Wirkung beteiligt sind. Ein Isomer, O-Desmethyltramadol, ist ein reiner Opioidrezeptoragonist, der als ein Schmerzmittel 200-mal wirksamer als Tramadol ist.
Ein anderes Isomer hemmt die neuronale Aneignung von Serotonin und Noradrenalin, aktiviert das zentrale absteigende noradrenerge System, das die Übertragung von Schmerzimpulsen auf die gelatinöse Substanz des Rückenmarks stört. Also wirken die beiden Isomere synergistisch.
Die analgetische Aktivität von Tramadol zu Morphin beträgt 0,5:1 oder 0,1:1 bei oralem Gebrauch. Bei der intravenösen Gabe ist die analgetische Wirksamkeit von Tramadol zu Morphin korrelierbar. Das Tramadolmolekül ist kein aktives Analgetikum und das Arzneimittel wird vom Cytochromsystem P450 2D6 zu aktiven Metaboliten metabolisiert. Codeinartig wird die Wirkung von Tramadol viel höher bei 6% der Bevölkerung, die von Natur aus eine erhöhte Aktivität dieses Cytochromsystems haben, und bei 8-10% der Menschen, bei denen dieses Enzym geschwächt ist, wird die Schmerzbeseitigung unwirksam. Das gleiche gilt für Substanzen, die dieses Leberenzym hemmen oder aktivieren.
Auf solche Weise ist der Metabolismus von Tramadol und Codein ziemlich vergleichbar. Obwohl Tramadol bei enteraler Gabe schwach ist, kann es bei intravenöser Gabe mit Morphin verglichen werden, deshalb hat es ein Missbrauchsrisiko. Nach seinen pharmakologischen Parametern ist es Levorphanolartig modelliert, aber mit einer schwachen Wirkung auf den µ-Rezeptor.
Doch ist es molekular dem Antidepressivum Venlafaxin gleich und wirkt wie ein Serotonin- und teilweise Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. Aufgrund dieser Eigenschaften hat Tramadol eine schwache schmerzlindernde, aber starke antidepressive Wirkung.
Das Tramadolmolekül ähnelt sich zum Teil dem Codein. Bei der Kombination mit Paracetamol oder nichtsteroidalen Antirheumatika erhöht sich die analgetische Wirksamkeit beider Substanzen, deshalb werden in einigen Ländern Kombinationspräparate hergestellt (die Kombination mit Paracetamol wird besonders oft verwendet).
Die Stoffwechselprodukte von Tramadol sind über die Nieren ausgeschieden und die Arzneimitteldosis sollte bei der Niereninsuffizienz reduziert werden.
Die Kombination von Tramadol mit jeglichen Serotoninsubstanzen kann gefährlich sein, und die Kombination mit MAO-hemmern ist kontraindiziert.
Tramadol kann sogar in kleinen Dosen zu Krämpfen führen, deshalb wird die Verwendung dieses Opioids bei Epilepsiepatienten am besten vermeiden. Das Auftreten von Krämpfen kann darauf erklärt werden, dass Tramadol GABA-Rezeptoren blockiert. Mehr über Tramadol Nebenwirkungen können Sie im neuen Blogbeitrag lesen. Die Entzugserscheinung dieses Opioids ist mit dem bei anderen Opioiden ähnlich, ist jedoch milder oder verläuft wie nach dem Entzug von Antidepressiva.
Tapentadol
Ebenso wie Tramadol wurde dieses Opioid von der deutschen Firma Grünenthal zusammen mit der Gesellschaft Johnson & Johnson entwickelt. Es ist das neueste Opioid-Analgetikum, das von 2009 bis 2010 auf dem amerikanischen und europäischen Markt getreten ist.
Der Wirkungsmechanismus von Tapentadol (Palexia, Nucynta u. a.) ist dem Tramadol ähnlich, es bindet an µ-Opioid-Rezeptoren und blockiert gleichzeitig die Wiederaufnahme von Noradrenalin in Synapsen. Bei dem Gebrauch von Opioidantagonisten Naloxon wird die schmerzstillende Wirkung von Tapentadol nur um die Hälfte verringert, so dass es angenommen wird, dass 50% der analgetischen Wirkung nicht über das Opioidsystem, sondern über eine absteigende Noradrenalinhemmung auf der Rückenmarksebene erfolgt.
Im Unterschied zu Tramadol hat das Tapentadolmolekül eine direkte analgetische Wirkung, die Wirksamkeit des Arzneimittels hängt nicht vom Primärstoffwechsel in der Leber ab. Das Medikament ist etwas wirksamer als Tramadol und deutlich schwächer als Morphin und Oxycodon. Die Publikationsreihe zeugt von einem hohen analgetischen Potenzial des Arzneimittels bei der Behandlung von neuropathischen Schmerzen.
Tapentadol ist durch weniger ausgeprägte Nebenwirkungen des Magen-Darm-Trakts (Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung) sowie des Zentralnervensystems (Somnolenz, Erschlaffung, Schwindel) gekennzeichnet.
Im Unterschied zu den meisten Opioiden verlängert das Medikament Tapentadol das QT-Intervall nicht, beeinflusst weder die Herzschlagfrequenz noch den Blutdruck und hat ein minimales Suchtpotenzial.
Es wurden jedoch bestimmte halluzinatorische Reaktionen beschrieben, wahrscheinlich aufgrund einer Mehrspeicherung von Noradrenalin in Synapsen. Aufgrund einer starken Wirkung auf Serotonin und Noradrenalin kann die Kombination von Tapentadol mit Antidepressiva gefährlich sein, und die Kombination mit MAO-hemmern ist kontraindiziert.
Dieses Opioid wird durch die Konjugation metabolisiert und geht nicht durch das P450 Cytochromsystem. Es hat keine aktiven Metaboliten und wird über die Niere ausgeschieden. Die Vorsichtsmaßnahmen werden bei Nierenerkrankungen empfohlen.
Tapentadol Tramadol Vergleich
Tapentadol unterscheidet sich grundlegend von seinem seinem Vorgänger Tramadol. Tapentadol ist kein Prodrug; es hat keine aktiven Metaboliten, was die Analgesie besser kontrollierbar macht. Der wichtigste Stoffwechselweg ist die Glucuronidierung. Der durch das Cytochrom-P450-System vermittelte Metabolismus ist von sekundärer des geringeren Risikos von Arzneimittelwechselwirkungen und weniger Abhängigkeit von genetischen Polymorphismus von P450. Es hemmt praktisch nicht die Serotonin-Wiederaufnahme, daher ist das Risiko von serotonergen Effekten minimal.
Trotzdem ist Tapentadol in den analgetischen Eigenschaften 3-5 mal stärker als sein Vorgänger Tramadol und in der Wirksamkeit mit starken Opioiden vergleichbar, jedoch ist das Verträglichkeitsprofil von Tapentadol laut zahlreicher Studien noch besser.
Sein unbestrittener Vorteil ist das in der Literatur beschriebene geringere Missbrauchsrisiko als bei anderen Opioiden, was wahrscheinlich auf seine relativ geringe Affinität zu µ-Opioidrezeptoren zurückzuführen ist.